Genie, Grundlagenforschung und das gute Geld:
Hätte Einstein heute eine Chance?
Dieser Frage geht Moderator Ingolf Baur zusammen mit Gravitationswellenforscher Karsten Danzmann, Quantenphysiker Tommaso Calarco, Wissenschaftshistoriker Klaus Hentschel und DFG-Vizepräsident Frank Allgöwer auf den Grund.
Als Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, nahm die Öffentlichkeit davon keine Notiz. In Europa tobte gerade der Erste Weltkrieg. 100 Jahre später sind seine Thesen aus der Forschung nicht mehr wegzudenken: Ein riesiges Medienecho begleitete kürzlich die Messung der vorhergesagten Gravitationswellen.
Mit einer Milliarde Euro will die EU nun in einem „Quantenflaggschiff“ die Quantenforschung fördern. Forschende des Ulm-Stuttgarter Zentrum für Integrierte Quantenwissenschaft und -technologie IQST haben eine große Rolle bei der Umsetzung der Initiative gespielt. Ist die Finanzspritze ein Fortschritt genau zur rechten Zeit? Was bedeutet das für den Technologie- und Forschungsstandort Baden-Württemberg? Und Einstein selbst? Hätte seine Art von Grundlagenforschung heute eine Chance? Begleitend zur multimedialen Mitmachausstellung „100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie“ im Haus der Wirtschaft wird sich am 6. Juni eine Talkrunde mit Einsteins Theorie, ihrem jüngsten praktischen Beweis und den gegenwärtigen Möglichkeiten und Förderungen der Grundlagenforschung auseinandersetzen. Innen- und Außenperspektive kommen zusammen bei den vier Experten, die um 19 Uhr unter der Moderation von Ingolf Baur (SWR) in den Dialog verschiedener Disziplinen treten werden.
Prof. Dr. Karsten Danzmann
Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover, Direktor des Instituts für Gravitationsphysik an der Leibniz Universität Hannover
Karsten Danzmann ist Professor an der Leibniz Universität Hannover und als Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik tätig. Sein Forschungsinteresse gilt der Beobachtung von Gravitationswellen mit Hilfe von Laserinterferometern auf der Erde. Am Albert-Einstein-Institut forscht er in seiner Abteilung an den experimentellen Grundlagen des Gravitationswellennachweises, betreibt mit GEO600 einen erdgebundenen Detektor und arbeitet an der Realisierung eines Detektors im Weltraum. Die Wissenschaftler am GEO600 haben zusammen mit dem Laser Zentrum Hannover die Laser für die Gravitationswellendetektoren LIGO in den USA entwickelt, mit denen im Februar erstmals eine Gravitationswelle direkt gemessen wurde.
Prof. Dr. Tommaso Calarco
Professor für Quanteninformationsverarbeitung an der Universität Ulm, Direktor des Instituts für komplexe Quantensysteme in Ulm, Direktor des Zentrums für Quantenwissenschaft und -technologie IQST, Stuttgart und Ulm
Tommaso Calarco ist Mitautor des sogenannten Quantum Manifesto, das auf Veranlassung von Günther Öttinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, von einer Gruppe renommierter EU-Forschern im Mai diesen Jahres veröffentlicht wurde. Das Quantum Manifesto beschreibt die Relevanz und die möglichen Auswirkungen der Quantentechnologien sowohl für die Wirtschaft als auch für unsere Gesellschaft. Die Verfasser empfehlen eine EU-Flagship-Initiative im Rahmen des European Horizon 2020 Research and Innovation Programm von einer Milliarde Euro aufzulegen, um das enorme Potential der Quantentechnologie zu erschließen.
Prof. Dr.-Ing. Frank Allgöwer
Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor an der Universität Stuttgart, Leiter des Instituts für Systemtheorie und Regelungstechnik
Frank Allgöwer ist als Vizepräsident Präsidiumsmitglied von Deutschlands zentraler Forschungsförderorganisation, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Das DFG-Präsidium berät als geschäftsführendes Organ laufend alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für die Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft in Deutschland. Als Wissenschaftler forscht Frank Allgöwer auf dem Gebiet der nichtlinearen System- und Regelungstheorie. Er und sein Forscherteam entwickeln Methoden, um komplexe und dynamische Systeme wie beispielsweise das Internet oder ein Energieversorgungsnetz leichter zu analysieren. Für seine Forschung wurde er unter anderem mit dem renommierten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet.
Prof. Dr. Klaus Hentschel
Leiter der Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik, Universität Stuttgart
Doppelstudium der Physik (Diplom in theoretischer Hochenergiephysik) und Philosophie (Magister in Wissenschaftstheorie) sowie Promotion in der Geschichte der Naturwissenschaften an der Universität Hamburg. Mehrere Forschungspreise für die Dissertation über (Fehl)interpretationen der Relativitätstheorie durch Zeitgenossen Albert Einsteins und für die Habilitation über das Zusammenspiel von Experimenten und Theorien zur Rotverschiebung im Sonnenspektrum. Ferner Arbeiten zur Mentalität deutscher Physiker kurz nach 1945, über visuelle Kulturen in Naturwissenschaft und Technik, zur Geschichte der Materialforschung sowie zur Geschichte von Forschungstechnologien. Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sowie der Académie Internationale d’Histoire des Sciences, Pictet-Preis der Genfer Academie des Sciences, stellvertretender Vorstand des Fachverbands Wissenschaftsgeschichte.
Ingolf Baur
Moderator bei 3sat, SWR und Deutsche Welle
Ingolf Baur hat an der Universität Hamburg Physik, Astronomie und Biophysik studiert. Seit vielen Jahren arbeitet er in den Wissenschaftsredaktionen des Südwestrundfunks Baden-Baden, 3sat in Mainz und der Deutschen Welle in Berlin vor und hinter der Kamera.